Die Kunst des Nicht-Tuns

Die Kunst des Nicht-Tuns ist die Kunst, ohne Wollen und Anstrengung eine Handlung in einer so mühelosen Weise auszuführen, dass sie wie von allein geschieht. Diese besondere Qualität wird daher auch als „Geschehenlassen“ beschrieben. Ein solches Nicht-Tun spielt im Zen – in der Meditation und auch beim Bogenschießen („Es schießt“) – eine große Rolle und ist in der Lehre vom Tao als „wu-wei“ von zentraler Bedeutung.

F.M. Alexander sprach von Non-Doing, ohne sich selbst auf Zen oder die Lehre vom Tao zu beziehen. Doch weist sein Unterricht und die Erfahrungen, die er bei der Entdeckung der nach ihm benannten Methode machte, viele Parallelen zum Zen und zum wu-wei auf. Im Zentrum seiner Entdeckung stand die Erkenntnis, dass die meisten von uns in allem was sie tun, ihre Koordination und die natürlichen Abläufe ihres Körpers stören. „Jeder lehrt uns beständig, was wir tun sollen und lässt uns dabei immer noch die Dinge tun, die wir nicht tun sollten“, sagte Alexander im Unterricht.

Alexander-Technik lehrt uns also die Kunst des Nicht-Tuns – ähnlich wie Zen und die Lehre vom Tao. Denn es geht bei dieser Körper-Bewusstseins-Arbeit vor allem darum, nicht in ungünstige Reaktionsmuster zu fallen. Diese stören unsere natürliche Aufrichtung und die in uns angelegten, ursprünglichen Bewegungsformen. Kurz gesagt geht es bei der Alexander-Technik darum, durch eine bewusste Ausrichtung unser gewohntes Tun nicht zu tun, stattdessen aber ein natürliches Geschehen zu erlauben, ein Geschehen, das durch die Evolution in uns angelegt.

Wahre Meisterschaft, auf welchem Gebiet auch immer, baut auf dem Nicht-Tun auf: Wenn alles Unnötige und Störende unterbleibt, entfaltet sich unser volles Potential in ungeahnter Weise. Das lässt sich beim Instrumentalisten besonders gut beobachten. Im Sport ist es als Flow-Phänomen bekannt.

Meine eigenen Erfahrungen mit der Kraft, die im Nicht-Tun steckt – im Weglassen des Unnötigen und Störenden –, habe ich vor allem beim Klavierspielen gemacht. Welche Veränderungen dabei durch ein anderes Denken, die Alexander-Technik und eine neue Art zu üben möglich sind, erstaunt mich immer wieder.